Zugerland Verkehrsbetriebe

Fahren für Menschen statt Fahrpläne

On-Demand-Angebote haben ohne Zweifel Potenzial. «Fahren für Menschen statt Fahrpläne» lautet das Ziel. Gemeint sind damit Beförderungsangebote, die dem Kunden auf Abruf zur Verfügung stehen. Im Interview gibt unser Fachspezialist Marco Schärli Auskunft zu den Chancen und Herausforderungen dieses Zukunftsfeldes. 

Was versteht man unter Bedarfsverkehr?
Marco Schärli: Beim Bedarfsverkehr erfolgt eine Fahrt ohne fixen Fahrplan oder Route, ähnliche Fahrten werden aber gebündelt. Eine Fahrt wird nur auf Nachfrage hin durchgeführt und es können verschiedene Kunden gleichzeitig im Fahrzeug sein. Bedarfsverkehr ist also irgendwo zwischen Taxi und ÖV anzusiedeln.

Das führt zur nächsten Frage: Welche Rolle spielen traditionelle ÖV-Unternehmen in diesem Markt?
M.S.: Die ZVB als konzessioniertes Transportunternehmen schaut über das heutige Kerngeschäft hinaus. Wir beschäftigen uns im Bereich der neuen Mobilität eingehend mit dem Thema «Bedarfsverkehr». Denn wir sind der Ansicht, Angebote der sogenannten ersten und letzten Meile sollen auch in Zukunft als öffentlicher Verkehr einfach und niederschwellig der Bevölkerung zur Verfügung stehen. Die ZVB möchte Erfahrungen sammeln, eine Systemkompetenz entwickeln und sich im aufkommenden Wettbewerb positionieren.

Innovation, Illusion oder bereits eingeführt - was ist der aktuelle Stand?
M.S.: Gemäss dem Trendradar von Alliance Swiss Pass ist «on-demand» noch eine Innovation, jedoch zwischen «Wachstum» und «Einführung» anzusiedeln. Eine nachhaltige Verkehrsentwicklung kommt eben nicht von allein. Die Entwicklung der Angebote muss aktiv gesteuert werden durch die richtigen Massnahmen. Projekte im Bereich Bedarfsverkehr erfordern den Einsatz von Kapital, das Eingehen von Kooperationen sowie die Bereitschaft des agilen Lernens. Die ZVB arbeitet in einer unternehmensübergreifenden, nationalen Arbeitsgruppe mit und ist offen für den Dialog mit den Gemeinden zur Erarbeitung von Angebotskonzepten.

Welchen primären Nutzen erhofft man sich?
M.S.: Vom Bedarfsverkehr erhofft man sich, den Kostendeckungsgrad auf Quartierlinien zu erhöhen, vor allem am Abend. Und die Erschliessung weniger stark frequentierter Orte abseits der Hauptstrassen oder ÖV-Linien (letzte Meile). Das klassische öV-Angebot soll also sinnvoll ergänzt werden.

Gibt es weitere Pluspunkte?
M.S.: Mulitmodale Mobilität ist das Stichwort. Wir denken hier an Wegketten, für die es ein lückenloses Angebot mit verschiedenen Mobilitätsformen gibt. Bedarfsverkehr ist ein Glied dieser Kette. Es kann die erste und letzte Meile erschliessen. Dies führt zu Komfortgewinn für die Fahrgäste punkto Bequemlichkeit, Erreichbarkeit, flexiblen Routen und flächendeckendenden Angeboten. Auch ein grösseres Sicherheitsgefühl gerade zu Randstunden gehört zu den Vorteilen, da die Kunden ein Angebot bis zur Tür nutzen können. Und last but not least kann mit einem höheren Besetzungsgrad oder der Substitution von privaten PWs oder Taxis die Effizienz im Transport gesteigert und der knappe Raum besser genutzt werden. 

Welche Herausforderungen stellen sich?
M.S.: Nicht wenige Pilotversuche sind schweizweit geplant, bereits in Umsetzung oder sogar schon abgeschlossen. Als grösste Hürde hat sich die Finanzierung herausgestellt, daran scheitern viele Projekte. Ein weiterer Knackpunkt ist der einfache Zugang zum Angebot. Die Kunden wollen keine neuen Apps installieren müssen, das Angebot soll vielmehr in bestehende Vertriebssysteme eingebunden sein. Wie oft bei Innovationen hinkt die Regulation der technischen Entwicklung hinterher und hemmt die Durchführung von Projekten. Zudem besteht auch seitens Fahrzeugentwicklung Förderungsbedarf, denn die privaten Unternehmen konzentrieren sich auf Kleinfahrzeuge und weniger auf gemeinsam genutzte oder geteilte Fahrzeuge. Und schliesslich ist auch die Bekanntheit eine Schwierigkeit, denn Bedarfsverkehr wird in Expertenkreisen viel diskutiert, die breite Bevölkerung ist in diesem Thema aber noch wenig sensibilisiert. 

Aktuelle Pilotprojekte Bedarfsverkehr
Quelle: Postauto (Stand April 2022)

 
 
Marco Schärli
Projektleiter neue Mobilität

Zugerland Verkehrsbetriebe AG
marco.schaerli@zvb.ch
+41 41 728 59 48

 

Verwendete Quellen

  • Bericht "Erkenntnisse bedarfsgesteuerte Mobilität", www.its-ch.ch/publikationen
  • Bericht "Chancen, Risiken und Effizienzpotenziale durch der Digitalisierung im Verkehr mit Schwerpunkt On-Demand-Angebote", www.bmwk.de